Johannes Fetzig

Johannes Fetzig, geboren 1970 als einziger Sohn eines Gymnasialstufendiretors. Mein Vater war zu der Zeit 38, meine Mutter 33 - doch habe ich nie meine Mutter richtig kennengelernt, da sie bereits in meinem ersten Lebensjahr mit einem Surflehrer (Mitte 20) nach Griechenland ausgebüchst ist. Sie wollte damit ihre Träume einer ewigen Jugend verwirklichen - zumindestens sagte das mein Vater immer und tat dabei so, als ob er völliges Verständnis für das Verhalten meiner Mutter hätte. (Ich glaube, er hat nie aufgehört, sie zu lieben, und hat so auch nie eine andere Frau kennengelernt.)

Da mein Vater immer viel zu arbeiten hatte, wurde ich von Anfang an die meiste Zeit von Kindermädchen versorgt. Dies waren meist junge Studentinnen, die eigentlich um nichts mehr besorgt waren, als mich abends früh ins Bett zu kriegen, um sich dann vor unseren Fernseher zu setzen und sich an der Hausbar meines Vaters zu bedienen. Aber trotzdem habe ich mich prächtig entwickelt, ich war in der Schule immer sehr fleißig und Vater war immer sehr zufrieden mit mir. - Und wenn mein Vater mal frei hatte, ging es bei uns immer sehr lustig zu. Mein Vater kannte viele wichtige Leute in der Schule und wenn er sie abends zum Essen eingeladen hatte, haben wir uns immer darüber unterhalten, was meine Altersgenossen für Dummheiten anstellen - das war sehr lustig - ich glaube, ich kannte zu der Zeit jeden Schummeltrick und jede dumme Ausrede, warum Schüler zu spät zur Schule gekommen sind oder ihre Hausaufgaben nicht machen konnten.

Im Urlaub fuhren wir jedes Jahr nach Schweden, denn mein Vater konnte die heiße Sonne nicht so gut vertragen und außerdem waren die großen Fleischwüsten am Mittelmeer sowieso nie unser Fall - in Schweden war es dagegen immer ganz toll - wir fuhren jedes Jahr an den gleichen Campingplatz am Vänernsee, wo Vater auch ein kleines Segelboot hatte, mit dem wir immer den ganzen Tag große Ausflüge gemacht haben.

Meine Mitschüler haben sich oft darüber lustig gemacht, daß ich so vernünftig war und mich so gut mit meinem Vater verstanden habe - aber das war gemein und ungerecht. In Wirklichkeit war ich nämlich ein ganz schöner Lausbub - zumindestens sagte das mein Vater immer, wenn ich Zahnpasta an die Türklinke vom Badezimmer geschmiert oder den Autoschlüssel meines Vaters versteckt habe.

Als ich 14 war, habe ich auf der Schule einen ganz prima Freund kennengelernt. Er hieß Jens Bruns und war echt gut drauf - zusammen hörten wir richtig harte Heavy Metal Musik und haben auch sonst einiges angestellt - mein Vater störte es auch überhaupt nicht, das Jens auf die Realschule ging, während ich auf dem Gymnasium war. Und ich und Jens bildeten ein wirklich Klasse Team - wir hatten uns jeder zu Weihnachten von den Eltern eine E-Gitarre schenken lassen und daran gemacht, die schnellen Solos von den heißen Scheiben nachzuspielen - auch habe ich ein rotes Stirnband getragen, so wie es sich für einen richtigen Metaller gehört - und als ich so 16 war, haben wir uns immer mit ein paar Trägern Bier im Stadtwald getroffen und richtig geil abgefeiert - unsere Schulkameraden haben sich oft über uns lustig gemacht, aber die wußten halt nicht, was bei wirklich harten Typen angesagt ist. Wir wollten auch zusammen einen Führerschein für ein 80er Motorrad machen - aber als ich meinen Vater gefragt habe, ob er mir Geld für den Führerschein gibt, hat er mir erklärt, wie gefährlich es ist, Motorrad zu fahren - das habe ich dann eingesehen.

Jens fand das natürlich ziemlich blöde und hat dann alleine den Führerschein gemacht, den er sich inzwischen von seinem Lehrlingsgehalt selber bezahlen konnte. Anfangs hatten wir trotzdem noch viel zusammen unternommen, doch hatte Jens dann ein paar andere Leute kennengelernt und hatte dann nur noch sehr wenig Zeit für mich.

Aber so konnte ich mich wieder etwas mehr um die Schule kümmern, was auch nötig war, denn ich hatte in der Schule inzwischen etwas abgebaut und schließlich ist ja gerade die Oberstufe fürs spätere Weiterkommen sehr wichtig.

Nach dem Abitur ging ich dann zur Bundeswehr. Eigentlich hat mein Vater schon Jahre zuvor allen Verwandten und Bekannten erzählt: "Mein Sohn wird später verweigern", doch wollte ich selbständig entscheiden, was ich mache, und so ging ich zur Bundeswehr. Rückblickend war es dort ziemlich blöde und ich hätte wohl verweigern sollen - doch habe ich mich da zum ersten mal richtig durchgesetzt.

Danach habe ich angefangen zu studieren: Mathematik und Latein auf Lehramt. Ich glaube, dies war eine sehr gute Entscheidung. Inzwischen bin ich dabei, meine Examensarbeit zu schreiben, und da mein Vater so ein einflußreicher Mensch ist, werde ich bestimmt schnell in einer Schule unterkommen. Auch habe ich nun meine Wilden Zeiten hinter mich gebracht und bin jetzt etwas ruhiger und gesetzter - man wird halt reifer - nur manchmal, wenn ich richtig gut drauf bin, lasse ich meine Wilden Zeiten wieder aufleben - und dann geht es richtig ab. Aber das passiert auch nicht so oft - schließlich kann ich mir das während der Examensarbeit nicht so gut leisten.

Mit Frauen hatte ich eigentlich noch nie was - ich verstehe zwar nicht warum, aber vielleicht habe ich einfach noch nicht die Richtige getroffen - es wird sich schon zur rechten Zeit ergeben - jetzt ist erst mal das Examen dran - schließlich hat mein Vater meine Mutter auch erst sehr spät kennengelernt - ich hatte auch schon mal auf eine Kontaktanzeige geantwortet, aber das war der totale Flop - es war total peinlich und ich werde das bestimmt nie wieder machen: Ich habe mir echt Mühe gegeben und einen schönen und langen Brief geschrieben. Doch irgendwie muß es wohl die Schwester von jemandem aus dem Schachclub gewesen sein; und diese hat dann wohl meinen Brief gleich rumgezeigt; jedenfalls wußte es plötzlich der ganz Schachclub und alle fanden das äußerst amüsant - nur ich nicht! Jetzt kann ich mich in dem Club nicht mehr blicken lassen, denn wenn die mich sehen würden, würden sie sofort die Kontaktanzeigen, die sie nun für mich gesammelt und ausgesucht haben, rausholen und vorlesen - sehr lustig! - "Hast Du gehört? - Der Fetzig sucht jetzt in der Zeitung eine Braut - man, der Arme, wir sollten ihm mal helfen!" - Ha Ha Ha!

Was daran auch sehr blöde war ist, daß die ganzen Leute, die ich kannte und mit denen ich was zu tun hatte, in diesem Schachclub waren - und nun kann ich mit niemanden mehr was unternehmen - na ja, so spielt halt manchmal das Leben - das ist halt manchmal so.